Harmonielehre VIII: Fortgeschrittene Funktionen

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Was man auf dieser Seite lernt

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Wer das schon weiß oder nicht wissen will, darf die Lektion überspringen.

Funktionstheorie

Bisher ist unsere Herangehensweise an die harmonischen Zusammenhänge (welche Akkorde passen zusammen und wie stehen sie zueinander) durch die Funktionstheorie bestimmt. Tonika, Subdominante, Dominante, Dominantseptakkord oder Tonikaparallele sind Funktionsbezeichnungen. Es gibt eine Alternative dazu, nämlich die Stufentheorie, die einfach die Stufen I bis VII mit römischen Zahlen bezeichnet und auf jeder dieser Stufen Akkorde (aus geschichteten Terzen) bildet. Das wird auf der nächsten Seite kurz erklärt.

Bringen wir hier aber die Funktionstheorie zum Abschluss, soweit man sie verstehen sollte.

Verstehen sollte ... naja. Das folgende sollte niemanden entmutigen. Ich habe mit hervorragenden Musikern gespielt, die nicht wussten, was harmonisches Moll bedeutet, und von dem Wissen auf dem Rest dieser Seite überhaupt nicht beleckt waren. Wer die bisherigen Seiten wohl verstanden hat, darf sich ruhigen Gewissens als »harmonisch gebildet« betrachten. Was nun folgt, ist interessant, soll aber nicht entmutigen: Man kann auch ohne verkürzte und verminderte Akkorde glücklich und musikalisch sein.

T - S - D - D7

Was wir bereits kennen, ist die Tonika, also der Grundakkord einer Tonart, gebildet als Dreiklang auf der ersten Stufe ihrer Tonleiter. In C-Dur wäre das C (C-Dur-Dreiklang), in c-Moll wäre das cm (c-Moll-Dreiklang). Die Abkürzung für den Begriff Tonika ist das T.

Dann hatten wir die Dominante als Dreiklang und den Dominantseptakkord als Vierklang auf der fünften Stufe der Tonleiter in einer bestimmten Tonart. Die abgekürzte Bezeichnung für die Dominante ist ein D. (Ein D kann also in der Literatur für »Dominante« oder für »D-Dur-Dreiklang« stehen, aber im allgemeinen ergibt sich klar aus dem Kontext, was gemeint ist. Gleiches gilt für D7.)

Die Subdominante haben wir als Dreiklang auf der vierten Stufe der Tonleiter aufgebaut. Auch sie ist ein Dur-Akkord (kleine Terz, darüber große Terz). Die Subdominante kürzt man mit S ab.

Tp - Sp - Dp

Wir haben gelernt, dass anderthalb Ton unter dem Grundton einer Dur-Tonleiter den Grundton der parallelen Molltonart finden. Man spricht auch von der Tonika-Parallelen. In einer Molltonart geht das genau anders herum: Anderthalb Töne über dem Grundton finden wir den Grundton der parallelen Durtonart und die Tonika-Parallele als der (Moll-) Dreiklang, den wir auf diesem Ton bilden. Gängige Abkürzungen für die Tonika-Parallele ist Tp

Die Subdominant-Parallele ist - der Name verrät es bereits - auch einfach zu finden: Vom Grundton der Subdominante (also dem vierten Ton der Dur-Tonleiter) gehen wir anderhalb Töne nach unten und bilden einen (Moll-) Dreiklang, die Subdominant-Parallele. Die Abkürzungen dafür ist Sp.

Machen wir das Gleiche auf der fünften Stufe (Dominante) einer Dur-Tonleiter, erhalten wir die Dominant-Parallele, abgekürzt Dp.

DD

Ein wirkungsvoller Akkord mit einem tonleiterfremden Ton kann die Doppel-Dominante sein. Das ist die Dominante der Dominante. Beispiel: In C-Dur ist die Dominante der G-Dur-Akkord. In der Tonart G-Dur ist die Dominante (also die fünfte Stufe) D-Dur. Also ist D-Dur die Doppel-Dominante von C-Dur. Das Symbol sind zwei leicht überlappende Buchstaben D oder auch einfach ein Doppel-D (DD). Die Doppel-Dominante klingt übrigens oft gut zwischen Subdominante und Dominante, wie in folgendem Beispiel, bei dem jedes Funktions-Symbol für einen Akkord steht, den man einen Takt lang spielt:

T | T | S | S | DD | DD | D | D7 | T | T

[Beispiel für die Verwendung der Doppel-Dominante]

Die Umsetzung in einer bestimmten Tonart könnte am Beispiel A-Dur wie folgt aussehen. Man beachte, dass das »D« hier für D-Dur (die Subdominante von A-Dur) steht und nicht etwa für Dominante.

A | A | D | D | H | H | E | E7 | A | A

[Verwendung der Doppel-Dominante in A-Dur]

Die Subdominante der Subdominante nennt man auch Doppel-Subdominante. (War jetzt leicht zu erraten.)

Verkürzter Dominantseptakkord

Klaut man dem Dominantseptakkord den Grundton, so bleibt ein Akkord aus zwei kleinen Terzen. Beispiel C-Dur: Dominantseptakkord G7 (g-h-d-f) ohne Grundton ergibt h-d-f. Dies ist der verkürzte Dominantseptakkord und er hat eine Besonderheit: Seine Töne sind nur jeweils eineinhalb Töne voneinander entfernt. Das kommt durch die Halbtonschritte von h nach c und von e nach f. Wir haben also zwei kleine Terzen und damit kein Geschlecht Dur oder Moll. Ein Dur-Dreiklang hat eine große Terz und darüber eine kleine Terz; beim Moll-Dreiklang ist es umgekehrt. Dieser verminderte Dreiklang ist sehr spannungsreich und kann vielseitig verwendet werden. Die Bezeichnung für die Funktion dieses Akkords ist D7 mit schräg durchgestrichenem D. Als Akkordbezeichnung würde das zuviel Grips verwenden. Daher schreibt man diesen Akkord als das auf, was es ja auch ist: Ein Moll-Akkord mit verminderter Quinte auf. Den ersten Ton des Akkords versieht man daher mit einem Zusatz m-5 (Beispiel: hm-5. Man kann auch ein Grad-Zeichen verwenden, wenn klar ist, das nicht der folgende verminderte Vierklang gemeint ist, der wesentlich verbreiteter und eine echte Allzweckwaffe ist:

Verminderter Akkord - genau genommen
verkürzter kleiner Dominantseptnonakkord oder auch
verminderter Septakkord

Die Bezeichnung verrät es: Hier wird die Funktionstheorie etwas kompliziert. Daher soll hier nur soviel gesagt sein: Wenn man dem verkürzten Dominantseptakkord noch eine kleine Terz hinzufügt, dann erhält man einen Akkord aus drei kleinen Terzen. Das Akkordsymbol für diesen Akkord ist der erste Ton des Akkords mit einem Grad-Zeichen (°), z.B. C° für C-vermindert.

Eine lustige Sache, die das Leben für Gitarristen leichter macht, kommt, wenn wir uns folgende vier verminderten Akkorde anschauen:

C°  besteht aus:   c   eb  gb  a
Eb° besteht aus:   eb  gb  a   c
Gb° besteht aus:   gb  a   c   eb
A°  besteht aus:   a   c   eb  gb

Nun werden die Töne in der Praxis ja nicht immer in eben dieser Anordnung gespielt, sondern meistens kommen Umkehrungen zum Einsatz. Das kann sein, weil der Komponist das so will, oder weil der Musiker die Töne so anordnet, wie sie am einfachsten zu spielen sind. So gesehen haben obige vier Akkorde alle die gleichen Töne. Für die meisten Gitarristen sind sie daher exakt gleich: C° = Eb° = Gb° = A°. Wenn die Lage egal ist, gibt es nur drei verschiedene »verminderte Akkorde« (oder das, was man gemeinhin mit dieser Bezeichnung meint).

C°  / Eb° / Gb° / A°  mit den Tönen  c  - eb - gb - a
Db° / E°  / G°  / B°  mit den Tönen  db - e  - g  - b
D°  / F°  / Ab° / H°  mit den Tönen  d  - f  - ab - h

Tonika mit verminderter Septime

Es ist nicht Bestandteil der Theorie, aber ich kann es mir nicht verkneifen, eine Wirkung des Dominantseptakkordes auf der ersten Stufe zu erwähnen: Sie leitet unmissverständlich zur Subdominante.

Was sehr theoretisch klingt, ist ganz einfach am Beispiel zu erklären: Der Akkord C7 ist der Dominantseptakkord von F-Dur. Man nehme die fünfte Stufe von F-Dur (1. f, 2. g, 3. a, 4. b, 5. c) und bilde darauf einen Vierklang, nämlich C7: c - e - g - b
Wenn wir diesen Akkord in C-Dur verwenden, so brüllt das nach der Subdominante, die auflösende Wirkung hat. Beispiel in C-Dur:

C | C7 | F | F | C | G | C | C

Funktionstheorie am Beispiel C-Dur

Tonart: C-Dur
Parallele Molltonart: a-Moll
Tonika: C (d.h. C-Dur-Dreiklang)
Subdominante: F
Dominante: G
Dominantseptakkord: G7
Tonika-Parallele: am (also a-Moll-Dreiklang)
Subdominant-Parallele: dm
Dominant-Parallele: em
Doppel-Dominante: D
Doppel-Subdominante: B
Verkürzter Dominantseptakkord: G7 (man denke sich das G schräg durchgestichen)

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